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Mein Kampf gegen den Krebs

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Aufgeben ist keine Option

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Dezember 2020

Schon wieder beginnt ein neuer Monat. Der November hatte es Emotional in sich. Ich spüre ganz deutlich, dass sich alles in die richtige Richtung entwickelt. Der Dezember beginnt mit Kälte und Schnee. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Aber ich habe es heute sogar geschafft, den Schnee zu räumen. Es war zwar nicht wirklich viel, aber der Schnee war nass und (für mich) ziemlich schwer.

 

Der nächste wichtige Termin ist meine nächste Gabe am 10. Dezember. Die Mukositis ist am Abklingen, das Nasenbluten lässt auch langsam nach und das Augentränen ignoriere ich einfach. Der Termin der Gabe liegt ziemlich günstig. Ich sollte bis zu den Feiertagen die gröbsten Nebenwirkungen hinter mir haben und ich habe sehr gute Chancen, auch Freude an den Mahlzeiten zu haben. Sehr gute Aussichten.

 

Ich freue mich auf Weihnachten wie ein kleines Kind. Es wird für mich ein ganz besonderes Fest. Ein Fest der Liebe wie ich es bisher noch nie erlebt habe. Nicht weil ich früher nicht geliebt worden wäre oder geliebt hätte, aber ich bin in den letzten Monaten wesentlich bewusster geworden. Außerdem habe ich das große Glück, dass durch meine Jungs die Familie und damit die Zahl meiner Liebsten noch größer geworden ist.

Heute ist die letzte Gabe schon wieder 13 Tage her. Die Zahl 13 hat in unserer Familie schon immer eine besondere Bedeutung. Sie gilt bei uns als Glückszahl. So auch heute: Die Mukositis ist kaum noch spürbar, das Nasenbluten ist deutlich weniger geworden und an das Augentränen habe ich mich längst gewöhnt. Das Wetter gibt im Moment leider nicht so viel her und so haben meine Frau und ich beschlossen, dass wir schon viel zu lange nicht mehr in Marienthal waren. Diese kleine Klosterkirche hat es uns angetan. Gerade in dieser Jahreszeit, wenn es früh dunkel wird und durch das typisch herbstliche Wetter diese besinnliche Stimmung entsteht, zieht einen dieser Ort in seinen Bann. Außerdem haben wir beide allen Grund, Danke zu sagen.

Heute war der Tag der fünften Gabe der neuen Therapie. Morgens kurz vor 8 Uhr ging es in Frankfurt los. Da es draußen recht kalt und ungemütlich ist und man als Begleiter nicht mit in das Krankenhaus kommen darf, haben wir es diesmal so gelöst, dass mich mein Sohn in die Klinik gebracht hat. Er hat mich nur abgesetzt und konnte dann direkt weiter zur Arbeit fahren. So brauchte meine Frau mich nur abzuholen. Da ich immer früh genug weiß, wann ich fertig bin, müssen sich dann weder meine Frau noch ich lange draußen in der Kälte aufhalten. Schließlich hat ja wegen Corona alles zu, wo man sich mal wärmen könnte.

 

Zuerst erfolgen die Blutentnahme und das Setzen der Nadel für den Port. Danach heißt es dann warten auf die Infusion. Das dauerte heute bis kurz nach 11 Uhr. In dieser Zeit kam mein behandelnder Arzt bei mir vorbei. Ein ausführliches Gespräch war heute nicht erforderlich. Die Dinge sind im Moment im Großen und Ganzen klar und wir haben deshalb nur ein paar Details besprochen. Von den Bauchspritzen, die ich wegen der Leukozyten bekomme, werde ich diesmal nur zwei brauchen. Am 28. und am 29. Dezember wird sie mir wieder mein Sohn geben. Die Infusion war um kurz nach 13.30 Uhr fertig. Bisher habe ich sie wieder bestens vertragen. Die sechste Gabe der neuen Therapie bekomme ich dann am  4. Januar 2021.

Dieses Datum macht mich gleichzeitig nachdenklich, dankbar, trotzig und motiviert mich unglaublich. Warum? Ganz einfach. Im Januar 2021 ist meine Diagnose ein Jahr her. Da sie mir mit den Worten: "Mit so einem Befund leben nach 24 Monaten noch 15 bis 17 % der Patienten, das ist aber hier nicht der Fall" überbracht wurde, wäre mein Verfalldatum so langsam erreicht. Ich fühle mich aber heute um Welten besser als vor einem Jahr. Ich bin glücklich und zufrieden wie selten zuvor, habe gute Laune und liebe, wenn es um meine Krankheit geht, ganz besonders schwarzen Humor. Ich halte es im Moment für viel wahrscheinlicher, dass ich beim Legen einer Dauerwelle vom Blitz erschlagen werde, als an meinem Lungenkrebs zu sterben. Ich habe viele Träume für die Zukunft. Einer davon ist den Professor, der mir diese Diagnose mit einem etwas diabolischen Lächeln (er hatte direkt vorher gefragt, ob ich geraucht habe) überbracht hat, im Januar 2022 zu besuchen, um ihm mitzuteilen, dass der kleine Dicke vom Januar 2020 zwar immer noch klein, aber jetzt viel weniger dick und schon gar nicht tot ist und ab jetzt von ihm Mister 15 - 17 % genannt werden möchte. Einfach toll, was wir in nur elf Monaten erreicht haben.

Heute ist der dritte Advent und auch der dritte Tag nach der letzten Gabe. Über Nacht melden sich die Mukositis und das Nasenbluten mit Nachdruck zurück. Das Augentränen habe ich diesmal durchgängig. Mal schauen, was dieser und die nächsten Tage so bringen. Eine Veränderung gibt es auf jeden Fall. Neben der bundesweiten Verschärfung des Lockdowns, wird es hier im Rheingau-Taunus-Kreis eine nächtliche Ausgangssperre (wie im Libanon oder dem Gazastreifen) von 21 bis 5 Uhr geben. Bestimmt ist das eine total geniale Idee. Ich bin wahrscheinlich nur zu einfältig, um diese Genialität zu verstehen.

Heute ist der letzte Tag vor dem "harten" Lockdown, der letzte Tag vor der Ausgangssperre, der letzte Arbeitstag meiner Frau bei ihrem bisherigen Arbeitgeber und der fünfte Tag nach meiner letzten Gabe. Meine Frau hat ihre bisherige Tätigkeit wegen meiner Krankheit aufgegeben. Nicht weil ich so ein schwerer Pflegefall wäre, sondern uns beiden ist bewusst geworden, wie flüchtig alles im Leben ist. Gerade in dieser seltsamen Zeit, die für jeden eine Herausforderung darstellt, möchten wir so viel Zeit wie möglich gemeinsam verbringen und jeden Tag Glück und Zufriedenheit tanken, wo es nur geht.


Meine Nebenwirkungen halten sich im Rahmen. Das Nasenbluten und das Augentränen sind unverändert stark, die Mukositis ist mal wieder etwas stärker geworden. Vermutlich wird sie sich auch noch etwas steigern. Aber irgendwie habe ich mich schon daran gewöhnt. Sie gehört halt dazu. Wen kümmert’s?

Lockdown, Ausgangssperre und Weihnachten

Hätte man Ende 2019 den Menschen gesagt, was in 2020 alles geschehen wird und wie unser Alltag aussehen wird, so wäre man als spinnender Verschwörungstheoretiker abgestempelt worden. Egal wie man zum Thema Corona steht, dass wir durch die politischen Maßnahmen weltweit vor einer Wirtschafts- und Gesellschaftskrise biblischen Ausmaßes stehen, kann niemand mehr leugnen. Die Welt, wie wir sie bisher kannten, gibt es nun nicht mehr. Die weltweite Armut und der Hunger haben durch die Lockdowns bereits erschreckend rasant zugenommen. Auch wenn hier bei uns durch die "Druckerpresse" der EZB noch vieles überdeckt wird, so müssen doch sehr viele Menschen ganz konkret Angst um ihr wirtschaftliches Überleben haben. Die Zahl der Suizide in 2020 hat sich auch schon vervielfacht.

 

Trotz all dieser Entwicklungen ist das Jahr für meine Frau und mich ein gutes Jahr. Unser Leben wurde von einem auf den anderen Moment vollkommen auf den Kopf gestellt. Mir wurde eine zweite Chance geschenkt. Es hat sich alles zum Besseren gewandelt. So gesehen war 2020 für uns persönlich ein wahrhaft wundervolles Jahr.

Für mich ist Weihnachten schon immer etwas Besonderes. Aber ganz besonders in diesem Jahr. Im Januar, Februar, aber auch im August und September gab es einige Momente, in denen Weihnachten für mich unerreichbar zu sein schien. Um so dankbarer bin ich, dass ich es jetzt in einer so unglaublich guten Verfassung erleben darf. Auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass ich es schaffen werde, noch viele Weihnachten zu erleben, werde ich jedes so feiern, als wenn es das Letzte wäre. Am wichtigsten sind mir dabei natürlich meine Frau und meine beiden Söhne mit ihren Partnerinnen. Ich werde mir von niemanden vorschreiben lassen, wen ich wann an Weihnachten oder auch sonst immer in meiner Wohnung empfange oder nicht. Das ist ein uns von Gott gegebenes Recht, dass uns keine Macht der Welt rechtmäßig absprechen könnte.

Wenn der Blumenmann einmal klingelt

Heute ist der neunte Tag nach der letzten Gabe. Die Mukositis hat sich leider tatsächlich noch gesteigert und ein ganz neues Level erreicht. Gefühlt ist meine Zunge nur noch ein Batzen rohes Fleisch. Sprechen und ganz besonders Nahrungsaufnahme in jedweder Form ist zur Qual geworden. Meine ganzen Mittelchen helfen nicht mehr wirklich. Mir bleibt nur abzuwarten, bis es von alleine wieder besser wird. Das Einzige, was ich im Moment noch essen kann, sind Spaghetti mit grünem Pesto und eine bestimmte Art französischer Milchbrötchen. Aber auch dafür brauche ich meine Zeit und bin froh, wenn es geschafft ist. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten muss meine Frau die frisch gebackenen Plätzchen nicht vor mir verstecken. Sie kann sie gefahrlos offen in der Küche stehen lassen. Ich habe noch nicht einmal versucht zu naschen.

Gestern Nachmittag hatte ich unverhofft ganz lieben Besuch. Ein Kollege, mit dem ich über zwanzig Jahre sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, kam zusammen mit seiner lieben Frau vorbei. Sie haben mir ein liebevoll mit lauter gesunden Kostbarkeiten bestücktes Päckchen von sich und den anderen Kollegen aus meiner Abteilung vorbeigebracht. Es tut sehr gut zu wissen, dass meine engsten Kollegen auch gleichzeitig gute Freunde sind. Das gilt auch für meinen Chef, der nur deshalb nicht selbst kommen konnte, weil er gerade selbst frisch an der Hüfte operiert wurde. So ein Team, wie wir es über zwei Jahrzehnte waren, wird man lange suchen müssen.

Aber auch der heutige Tag hatte noch eine irre Überraschung zu bieten. Vormittags klingelte es plötzlich bei uns. Auf meine Nachfrage, sagte eine freundliche Stimme: "Ich habe Ihnen einen Blumenstrauß vor die Tür gelegt, der müsste gleich wieder ins Wasser." Ich war erst etwas irritiert, habe mir dann aber gedacht, er wird für meine Frau sein, die hat nämlich gerade gestern ihren neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. In meiner Familie gibt es genügend Leute, denen man so eine Aktion zutrauen könnte. Ich bin natürlich sofort nach unten gegangen, um meiner Frau den Strauß zu holen. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich den Empfänger gelesen habe. Als ich dann auch noch den Absender erkannte, kamen mir spontan die Tränen. Mein Arbeitgeber, bei dem ich mittlerweile im 41. Jahr angestellt bin, hat mir einen überwältigend schönen Blumenstrauß mit einem ebenso netten Anschreiben zukommen lassen. Ich bin zu tiefst gerührt. Diese Geste ist für mich sehr wertvoll und tut mir unsagbar gut. Ich werde das nie vergessen.

Wintersonnenwende

Mit der Wintersonnenwende hat glücklicherweise auch meine Mukositis eine Wende vollzogen. So wie seit heute die Tage wieder länger und die Nächte kürzer werden, so hat die Mukositis auch ihren Höhepunkt überschritten. Das reicht mir schon vollkommen, um sie nicht mehr als Belastung zu empfinden. Ich ziehe für mich daher das Fazit, dass auch dieses Mal die Nebenwirkungen ein geringer Preis für die bisherigen Fortschritte sind.

 

Da mein nächster Therapietermin erst am 4. Januar 2021 ist, kann ich mich jetzt in aller Ruhe auf die Feiertage freuen. Ich werde in dieser Zeit mit Sicherheit viel und oft melancholisch sein. Das empfinde ich aber keineswegs als negativ. Ganz im Gegenteil. Das ist für mich immer wie aus einer frischen Quelle Kraft zu schöpfen. Meine Gedanken und Gefühle werden dann so intensiv, dass sich mir viele Dinge offenbaren, die im alltäglichen Leben unter der Oberfläche bleiben würden. Dem gebe ich mich sehr gerne hin und werde es genießen, so wie ich die Gegenwart meiner Liebsten in vollen Zügen genießen werde. Jetzt heißt es geistige Energie zu sammeln, damit ich auch im nächsten Jahr die Kraft habe, nach Möglichkeit ein Gewinn für mich und meine Mitmenschen zu sein. Der Krebs geht dann, davon bin ich überzeugt, fast von allein.

Ich werde daher in den nächsten Tagen hier nicht viel schreiben. Euch allen wünsche ich eine besinnliche Zeit mit ganz vielen Glücksmomenten. Nutzt den Lockdown und seht darin nur das Positive. Lasst Euch keine Angst machen, egal von wem und egal wovor. Krankheiten gab es schon immer und gestorben wurde auch in früheren Jahren, meistens sogar deutlich mehr als in diesem. Ihr werdet Euch immer so gut fühlen, wie Ihr es von innen heraus wollt. Ich habe Lungenkrebs mit einer schlechten Prognose, aber ich werde den Teufel tun und mich deshalb schlecht fühlen. Die letzten zehn Monate geben mir vollkommen recht. Ich habe mich schon lange nicht mehr so glücklich gefühlt und so intensiv gelebt. Es ist halt immer eine Frage der Qualität und nicht nur der Quantität. Auf die Quantität hat keiner von uns einen wirklichen Einfluss, auf die Qualität schon.

 

Also immer schön positiv sein und heute leben, denn gestern ist vorbei und ob es für Dich ein morgen gibt, weißt Du nicht.

 

Kaum sind die Feiertage vorbei, schon hält das Winterwetter Einzug. Mit Temperaturen rund um den Gefrierpunkt, etwas Sturm und ein wenig Schnee. Leider noch zu wenig zum Schlittenfahren. Für meine Frau und mich war dieses Weihnachtsfest ein ganz besonderes Geschenk. Gab es doch im Laufe des Jahres einige Momente, an denen das Fest für mich unerreichbar schien. Aber wir haben es geschafft. Wir durften in bester Stimmung und fast ganz ohne Nebenwirkungen gemeinsam mit unseren beiden Söhnen und unseren Beinahe-Schwiegertöchtern feiern. Es war genauso bewegend und kraftspendend wie die Weihnachten, an denen unsere Jungs noch ganz klein waren und mit großen Augen vor dem Weihnachtsbaum standen. Was habe ich es immer genossen, die beiden auf die Folter zu spannen und dann ihre glücklichen Gesichter zu sehen. Was mich dieses Jahr ganz besonders glücklich gemacht hat, ist, dass beide auch dieses Mal wieder so glückliche Gesichter hatten.

Wenn's nicht klappt: Ersatzlink

Wenn's nicht klappt: Ersatzlink

Bilder aus dem Dezember 2020

Jeden Tag geschehen Wunder. Wir müssen sie nur zulassen. 

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