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Mein Kampf gegen den Krebs

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Aufgeben ist keine Option

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Juni 2021

Der Juni wird für mich sehr spannend. Neben der zwölften Gabe am 10. Juni steht am 30. Juni wieder ein CT an. Ich denke, jeder kann sich vorstellen, was das für mich immer wieder bedeutet. Das Ergebnis gibts dann natürlich erst im Juli. Außerdem muss ich innerhalb dieses Monats den bürokratischen Formularberg der Arbeitsagentur erklimmen. Es geht um die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung. Da die Rentenversicherung vermutlich noch etwas brauchen wird, um über meine Rente zu entscheiden, das Krankengeld aber bereits Anfang Juli ausläuft, wird die Arbeitsagentur mir im Rahmen dieser Regelung Arbeitslosengeld zahlen, bis die Rente genehmigt ist. Hoffe ich jedenfalls.

Dreizehn Tage nach der letzten Gabe geht es mir recht gut. Die Nebenwirkungen verharren auf dem gewohnten Niveau. Das Wetter ist heute einfach super. Da meine Frau heute am Nachmittag arbeiten musste, habe ich alleine eine kleine Radtour gemacht. Gerade mal 10 Kilometer, aber egal, ich habe es genossen. Die zartgrünen Getreidefelder und die knallgelben Rapsfelder sind so wunderschön anzuschauen.

Da das bei uns jetzt wieder erlaubt ist, habe ich unterwegs kurz stillgehalten und habe mir in aller Ruhe in einem kleinen Biergarten einen Kaffee genehmigt. Ein ganz merkwürdiges Gefühl. Das ist so eine Mischung aus "Wie in guten alten Zeiten" und "Das fühlt sich irgendwie verboten an". An allen Tischen war Corona das einzige Gesprächsthema. Ich bin immer wieder erschüttert, wie viel Menschen richtig tief sitzende Angst haben. Manche wollen nur Bier aus der Flasche oder bringen vorsichtshalber ihre eigenen Gläser mit. Aber mit ihren Masken ist ihnen dann jeder sinnvolle Umgang völlig fremd. Da werden Masken rundherum mit den Fingern angefasst, geknickt, in den Hosensäckel oder die Handtasche gestopft. Immer wenn man dann denkt, schlimmer gehts eigentlich nicht mehr, toppen das Einige noch und stecken sich eine Zigarette an. Intelligentes und konsequentes Verhalten geht anders.

In fünf Tagen geht es schon wieder nach Frankfurt zur 12. Gabe der zweiten Therapie. Die Nebenwirkungen der elften Gabe haben sich auf dem gewohnten Niveau eingependelt. Mein Geschmacksinn, der sich bisher nach jeder Mukositis wieder einigermaßen erholt hat, bleibt diesmal allerdings angeschlagen. Fast alle Speisen schmecken nicht mehr so, wie ich es gewohnt war. Das finde ich sehr schade, da ich mir gerne das eine oder andere Mal eine Kleinigkeit gönne. Das macht jetzt aber keinen Spaß mehr.

Morgen geht es schon wieder nach Frankfurt. Zur 12. Gabe der 2. Therapie. Die Nebenwirkungen bewegen sich im gewohnten Bereich. Allerdings hat sich mein Geschmacksempfinden nicht so erholt wie gehofft und da sich mit der morgigen Gabe alle Nebenwirkungen nach und nach wieder verstärken werden, gehe ich davon aus, dass ich mich schlicht und einfach daran gewöhnen muss. Meine Stimme hatte sich tageweise richtig gut erholt. Ich klang zeitweise fast wie in alten Zeiten. Allerdings fällt mir seit einigen Tagen das Atmen wieder deutlich schwerer. Auch alle Bewegungen fallen mir deutlich schwerer. Ich hoffe, dass das nicht an den Tumoren, sondern am starken Pollenflug liegt. Dafür ist meine stark blutende Kopfwunde mittlerweile nahezu verheilt. Zumindest hat sie seit einigen Tagen nur noch minimal geblutet und ist kaum noch zu sehen.

Wir werden morgen früh wieder sehr zeitig losfahren. Damit das funktioniert, muss ich spätestens um 5 Uhr aufstehen. Es dauert halt seine Zeit, bis ich einigermaßen ansehnlich bin. Meine Frau fährt mich dann nach Frankfurt. Sie fährt direkt danach zurück, um arbeiten zu gehen. Wenn alles wie gewohnt abläuft, werde ich mich dann am frühen Nachmittag bei ihr melden, damit sie mich wieder abholt.

Heute gab es die zwölfte Gabe der zweiten Therapie. Ich musste wieder von kurz vor 8 Uhr bis 12.30 Uhr warten, bis meine Therapie endlich ankam. Ich habe wieder einen Platz auf einer Liege bekommen. Dementsprechend habe ich dann auch gleich mal geschlafen. Obwohl es draußen ziemlich heiß war, mit Sicherheit fast 30° im Schatten, habe ich auch heute in der Ambulanz mein Kuscheldeckchen prima gebrauchen können. Wegen Corona muss die Lüftungsanlage dort täglich beweisen, was sie kann. Mir eindeutig zu viel. Wenn man dort stundenlang nur sitz oder liegt, fährt der Kreislauf so runter, dass man gar keine andere Chance hat als zu frieren. Als ich dann gegen 15 Uhr fertig war und vor die Tür kam, hat mich die Hitze förmlich umgehauen. Ich habe einen ganzen Moment gebraucht, bis ich mich akklimatisiert habe.

Diesmal kribbelt meine Zunge sofort. Nicht dramatisch, aber doch deutlich. Ich bin mal gespannt, wie sich die Nebenwirkungen entwickeln. Für heute bin ich auf jeden Fall ziemlich geschafft und werde wahrscheinlich ein Nickerchen nach dem anderen machen, lediglich unterbrochen für ein paar Pausen, um Nahrungsmittel aufzunehmen oder zu entsorgen.

Am zweiten Tag nach der Gabe haben sich die Nebenwirkungen noch nicht spürbar verstärkt. Vielleicht brauche ich heute noch gar keine Spaghetti. Die stark ausgeprägte Müdigkeit konnte ich bisher noch nicht wegschlafen, obwohl ich mir da echt viel Mühe gegeben habe. Aber solange das mein einziges Problem ist, soll es mir recht sein. Ich achte halt darauf, dass ich möglichst schöne Träume habe.

Am Morgen des vierten Tages nach der Gabe, hat sich das Nasenbluten stark verstärkt. Die Nase fängt grundlos an zu bluten. Manchmal dauert es dann mehrere Minuten, bis es wieder aufhört. Auch der Mund entwickelt sich zielstrebig in Richtung Mukositis. Ab sofort gibt es wieder nur noch Spaghetti mit Pesto. Die restlichen Nebenwirkungen haben noch nicht ganz so doll zugelegt. Vermutlich wird das aber noch kommen.

Der sechste Tag nach der Gabe bringt mir zusätzlich zur sich noch steigernden Mukositis eine Zahnfleischentzündung am oberen rechten Backenzahn. Glücklicherweise bisher nur bei Druck schmerzhaft. Aber wir wissen ja, schlimmer geht immer. Also werde ich sehen, dass ich in den nächsten Tagen einen Zahnarzttermin bekomme.

Leider fällt mir in den letzten Tagen das Atmen immer schwerer. Da mir das Atmen am späten Abend und in der Nacht wieder leichter fällt, hoffe ich sehr, dass das mit meinen Allergien und der Hitze zu tun hat. Ende Juni, nach dem CT, werde ich es genauer wissen. Ich wünsche mir sehr, dass die Tumore weiterhin Ruhe halten und ich nicht eine noch stärkere Therapie brauche.

Jetzt habe ich neben der Zahnfleischentzündung auch noch Post bekommen. Von der Deutschen Rentenversicherung. Von der Dicke des Umschlags her hatte ich vermutet, dass es sich um eine Abschrift der Bibel handelt. Aber weit gefehlt, es ist die Ablehnung des Reha-Antrages und welch Wunder, die Aufforderung an mich, einen Rentenantrag zu stellen. So eindeutig wie das Schreiben formuliert ist, zweifle ich immer mehr an der Vorgehensweise meiner Krankenkasse.

Natürlich hätte ich auch gleich einen Rentenantrag stellen können. Mit Sicherheit auch mit demselben Ergebnis. Warum mutet man mir dann zu, in meiner Situation, zweimal diesen Aufwand zu betreiben? Das ist wohl der tägliche deutsche Behördenwahnsinn. Dazu kommt noch, dass die Krankenkasse ihre Mitarbeiter in Themen-Teams aufgeteilt hat. Dann sind die Mitarbeiter mit etwas Glück zwar in diesem einen Gebiet fachlich fit, dafür muss man als Kunde aber damit leben, dass man sich auch in so schweren Situationen wie der meinen, von Pontius zu Pilatus durchfragen muss.

Gleichzeitig ist zu befürchten, dass auf diese Weise bis in die obersten Etagen kein einziger Mitarbeiter einen Gesamtüberblick hat. Mit dem Erfolg, dass man als Kunde immer verwirrter wird und am Ende letztlich ganz alleine dasteht. Keiner kann einen auf Probleme hinweisen, die wegen einer Handlung in Bereich A in der Folge in Bereich B auftreten könnten und umgekehrt. Das empfinde ich als echt schlimm und es fühlt sich an, als wäre es gewollt. Aber auch diese Hürde werde ich nehmen und dafür sorgen, dass ich der Krankenkasse so lange als möglich als Kunde erhalten bleibe.

Eine Woche nach der Gabe hat die Mukositis hoffentlich ihren Höhepunkt erreicht. Die Zunge ist seit gestern an einer Stelle offen. Ich musste nachts mehrfach niesen und habe dabei gespürt, wie die Zunge von dem Druck aufgerissen ist. Aber im Vergleich zu dem, was ich vor einigen Monaten hatte, ist es noch vollkommen harmlos. Zusammen mit dem häufigen Nasenbluten, dem ständigen Augentränen, den andauernd dicken Beinen und der teilweise recht heftigen Hitze, ist das im Moment schon ein etwas belastender Mix.

Da das Atmen sich nicht weiter verschlechtert hat, ist mir das alles ziemlich egal. Ich habe gestern Nachmittag eine kleine Radtour durch den Wald bei uns gemacht. Da waren die Temperaturen gut erträglich und da die Coronavorschriften es mittlerweile wieder zulassen, konnte ich mich zum Abschluss in einem kleinen Biergarten mit meinen Eltern treffen und in aller Ruhe einen Kaffee genießen.

Ohne Hungern erfolgreich abnehmen, geht das?

Ich habe es geschafft, alleine von Jahresanfang bis jetzt über 12 Kilo abzunehmen. Insgesamt habe ich seit meiner Diagnose im Januar 2020 ungefähr 23 Kilo verloren. Das liegt weder an meiner Therapie noch daran, dass ich der Meinung wäre, ich müsste schöner werden. Dahinter steht einfach der Gedanke, dass sich meine Kurzatmigkeit mit jedem unnötigen Kilo auf der Hüfte zusätzlich verschärft. Ich habe mir so zusätzlich zu den Therapieerfolgen ein großes Stück Lebensqualität zurückerobert.

Mit meinen ursprünglichen 110 kg habe ich natürlich auch immer gesagt, dass ich mich wohlfühle. Eine Schutzbehauptung, um nichts ändern zu müssen. Es war und ist jedem übergewichtigen Menschen vollkommen klar, dass er aufgrund des Übergewichtes Abstriche in vielen Bereichen machen muss. Alleine das Anziehen von Socken und Schnürschuhen kann schon mal eine echte Herausforderung werden. Und selbst beim Gang zum stillen Örtchen (das dann oft gar nicht mehr so still ist) geht manches nicht mehr so flott von der Hand. Man redet sich das genau wie bei vielen anderen Dingen schön, um nur nicht in die Gefahr zu kommen, die eigene Komfortzone verlassen zu müssen.

Lassen wir mal die vielleicht 0,01 % der Bevölkerung außer Acht, die wirklich rein krankheitsbedingt Übergewicht haben, so liegt es immer und ausnahmslos an der Ernährung und dem Bewegungsprofil des Betroffenen. Da gibt es nun einmal keine guten Argumente dagegen, höchstens schlechte Ausreden.

Da bei mir Sport nur in sehr bescheidenem Umfang möglich ist, gewinnt das Thema Ernährung eine noch größere Bedeutung. Das Glück ist, dass alles, was vonseiten der Ernährung gut gegen Krebs und und gut für das Immunsystem ist, auch gleichzeitig gut für das Abnehmen ist. Feste Regeln kann man da nicht wirklich allgemein verbindlich festschreiben, da jeder Organismus so seine Eigenheiten hat. Aber einige grobe und einfache Hinweise kann man schon geben.

 

Viel Gemüse, auch Obst (aber Vorsicht mit der Fruktose), gerne auch mal Nüsse (aber nicht wenn sie als Knabberkram daherkommen), möglichst wenig Fleisch (vor allem kein Schwein), gerne mal Fisch (am besten nicht aus einer Zucht, wegen Antibiotika & Co.), nicht zu üppiger Umgang mit Quark, Joghurt und auch Käse (wegen des tierischen Eiweißes) und das Vermeiden von unnötigen Kohlenhydraten. Ein vollständiger Verzicht auf Kohlenhydrate ist kaum möglich und auch nicht sinnvoll. Ich habe für mich z. B. festgestellt, dass mein Körper anscheinend die Kohlenhydrate aus Dinkelprodukten besser verarbeitet als andere.

Genauso wichtig, also eigentlich noch viel wichtiger ist, dass man wirklich nur so viel isst, wie man tatsächlich auch braucht. Das ist viel leichter gesagt als getan und war bei mir das größte Problem. Man glaubt anfangs gar nicht, dass so ein bisschen zum Überleben reicht. Da ich aber schon seit einigen Jahrzehnten aus der eigentlichen Wachstumsphase herausgewachsen bin, brauche ich keine zwei Schnitzel oder drei Bratwürste mehr. Mir konnte jahrelang kein Teller voll genug sein und übrig lässt man schließlich auch nichts. Ich nehme an, dass das nicht nur bei mir, sondern bei den meisten Menschen der Knackpunkt bei der Ernährung ist.

Dann kommen noch die ganzen unnötigen Kohlenhydrate dazu, die man mit Getränken wie Bier, Wein, gesüßten Heißgetränken oder Limonaden zu sich nimmt, ohne auch nur den geringsten Nutzen davon zu haben. Von Süßigkeiten und Knabberkram will ich hier erst gar nicht anfangen.

 

Das alles habe ich alleine nicht geregelt bekommen. Glücklicherweise habe ich eine tolle Familie und eine liebe Frau, die mir sehr geholfen haben. Die Umstellung der Lebensmittel war eigentlich nur eine Frage von Tagen. Die wirkliche Herausforderung war und ist, das richtige Maß zu finden und dann auch zu beachten. Das habe ich ohne weitere Hilfe nicht geschafft. Immer wenn das persönliche Denken (Glaubenssätze) einem im Weg steht, wird es verdammt schwierig. Ging mir beim Rauchen genauso. Die wenigsten Menschen können im Kopf einfach einen Schalter umlegen und die Sache ist erledigt, aber es gibt sie. Ein Freund von mir hat das immer wieder geschafft. Er hat so seine Alkoholsucht und seine Nikotinsucht einfach mal so binnen kürzester Zeit beendet. Unglaublich, beneidenswert und wahr. Aber zurück zu mir. Ich habe leider keinen solchen Schalter.

Ich habe es letztlich mit Affirmationen geschafft. Kein schneller Weg. Dafür aber, wenn man ihn konsequent geht, sehr erfolgreich. Das Besondere daran ist, dass die aufgewendete Geduld dadurch belohnt wird, dass man keine Höllenqualen leiden muss. Man muss zwar schon immer mal wieder den inneren Schweinehund überwinden, aber sonst hätte man ja auch keine Erfolge verdient. Die Affirmationen sollen sich im Unterbewusstsein verankern und alte Glaubenssätze überschreiben. Deshalb höre ich sie überwiegend nachts im Schlaf, da ist das Unterbewusstsein besonders empfänglich dafür.

Das ist kein schneller Prozess. Bei konsequenter und vor allem täglicher Anwendung muss man von mindestens drei Wochen ausgehen, bis sich die neuen Glaubenssätze nach und nach verfestigen. Bei mir hat es länger gedauert. Aber tatsächlich sitze ich jetzt beim Essen und finde es fast schon eklig, wenn ein übervoller Teller vor mir steht. Ich habe es so geschafft, wieder auf die Signale meines Körpers zu hören. Ich kenne jetzt endlich ein Sättigungsgefühl; und ganz wichtig, ich nehme es auch ernst.

Mittlerweile nehme ich maximal noch zwei Mahlzeiten am Tag zu mir. Das ich zwischendurch auch mal ein Hungergefühl habe, kann ich nicht leugnen, aber ich kann damit umgehen. Da nachzugeben wäre genauso, wie sich so gehen zu lassen wie ein Rüde, der eine läufige Hündin erschnuppert hat. Es ist wie mit allem im Leben, wer keine Selbstdisziplin hat, wird nie Erfolge haben oder glücklich werden können. Man muss es sich schon ein wenig verdienen. Sonst könnte man ja auch nicht stolz auf sich sein, wenn man es geschafft hat.

Affirmationen zu den verschiedensten Themen findet man zu Hauff kostenlos auf YouTube. Kopfhörer für Seitenschläfer gibts bei Amazon. Ich selbst höre derzeit nachts elf verschiedene Affirmationen in Dauerschleife. Eine davon habe ich mir selbst gemacht. Den Text findet man hier. Ein Tipp noch für Menschen, die auf ihr täglich Bier nicht verzichten möchten. Das alkoholfreie Bier von Jever, Jever fun, hat nicht nur isotonische Eigenschaften, es hilft angeblich auch gegen Fettleber und Tumore in der Leber, hat kaum Kohlenhydrate, nur 13 kcal und ist, finde ich zumindest, angenehm herb.

Alles wie gehabt

 

Zehn Tage nach der Gabe ist alles wie gehabt. Die Nebenwirkungen fangen langsam an, sich wieder etwas abzuschwächen. Zumindest die Mukositis und das Nasenbluten. Allerdings bekomme ich so langsam das Gefühl, dass mein Mundraum und meine Zähne sich verändern. Es gibt immer weniger Dinge, die für mich schmecken, wie sie sollen. Das scheint sich auch nicht mehr zu erholen. Im Mundraum fühlt sich das Zahnfleisch überall leicht entzündet an und ich bekomme immer öfter beim Zähneputzen leichtes Zahnfleischbluten. Auch in den Zähnen habe ich immer öfter mal ein Ziehen. Insgesamt fühlt es sich an, als wenn ich ein dauerhaftes Problem bekäme. Das werde ich die Woche beim Zahnarzt mal ansprechen.

Die für gestern und heute vorhergesagten Unwetter haben uns verschont. Wir hatten in der letzten Nacht zwar rundherum stundenlang ein Wetterleuchten, aber alles in weiter Ferne. Bei uns gab es nicht einmal wirklich Regen. Aber da die Luft spürbar abgekühlt hat, ist das vollkommen in Ordnung.

In der neuen Woche muss ich mich um vieles kümmern. Ich muss einen Rentenberater finden, der am besten mit mir einen Vororttermin ausmacht. Ebenso muss ich einiges mit der Arbeitsagentur und der Krankenkasse klären. Ich muss leider immer wieder zugeben, dass mich das alles enorm belastet und ich mich völlig überfordert fühle. So ein Gefühl kannte ich während meiner über vierzig Jahren andauernden Dienstzeit überhaupt nicht. Je mehr, umso besser war immer mein Motto. Noch nicht einmal in meiner Zeit als Wertpapierberater, in der ich gefühlt 24/7 im Einsatz war, kamen solche Gefühle in mir auf.

Fast wie arbeiten

Die Woche startet für mich wie früher eine Arbeitswoche. Gleich für Montagmorgen habe ich einige Punkte auf meiner Aufgabenliste. Zuerst Anschreiben der Krankenkasse, dann einen Termin vereinbaren für eine Rentenberatung und Sachstandermittlung bei der Arbeitsagentur. Ziemlich viel für mich.

 

Am meisten Aufwand war es, der Krankenkasse zu schreiben und dabei nichts zu vergessen. Ich habe mich der Einfachheit halber an einen Mitarbeiter gewendet, mit dem ich früher auch schon beruflich zu tun hatte. Kaum hatte ich meinen Brief via Mail losgeschickt, bekam ich auch schon einen Anruf. Es war ein sehr nettes, aufbauendes und informatives Gespräch, in dem alles vorerst zu meiner vollsten Zufriedenheit geklärt wurde. Ich mache immer öfter die Erfahrung, dass es sehr viele herzliche und hilfsbereite Menschen gibt. Und ich bin überzeugt davon, dass das nicht nur an meinem Krebs-Bonus liegt.

Bei der Rentenversicherung habe ich auch schon für Mittwoch einen Termin bekommen. Zwar nur telefonisch, aber dafür so, dass ich nur bestimmte Dinge abgefragt werde und nichts selber ausfüllen muss. Das ist für mich extrem hilfreich.

Auch den dritten Punkt konnte ich bis zum frühen Nachmittag abklären. Bei der Arbeitsagentur liegt bis auf eine Unterlage der Krankenkasse bereits alles vor. Wenn es noch weitere Fragen gibt oder ich noch irgendetwas klarstellen oder nachreichen muss, werde ich angerufen.

So, jetzt mache ich erst einmal ein Nickerchen und hoffe, dass ich mir auch alles richtig notiert habe.

Heute, 13 Tage nach der letzten Gabe, war es endlich so weit. Ich habe telefonisch meinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt. Echt ein seltsames Gefühl. Irgendwie so endgültig. Die Formulierungen der Rentenversicherung bei der Ablehnung des Reha-Antrags klangen für mich auch schon so seltsam, als wenn ein Richter ein Urteil über einen gefällt hätte. Ist ja auch irgendwie ein bisschen so. Aber um das mal im Fußballjargon auszudrücken, ich nehme einen vorzeitigen Abpfiff nicht hin und gehe stattdessen in die Verlängerung. Und für das Elfmeterschießen trainiere ich auch schon.

Ich bekomme jetzt noch ein Bestätigungsschreiben und muss es zusammen mit ein paar Unterlagen bei der Rentenversicherung wieder einreichen. Dann geht alles seinen behördlichen Gang. Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass die Dame am Telefon superfreundlich war und sich sehr viel Mühe mit mir gegeben hat. Mein persönlicher Aufwand war sehr gering.

Ich bin immer wieder begeistert davon, dass fast alle Menschen, mit denen ich in den letzten Monaten zu tun hatte, kompetent, hilfsbereit und zuvorkommend waren. Die Bösen und Unqualifizierten sind anscheinend mittlerweile alle in der Politik.

Am 15. Tag nach der Gabe ist die Mukositis nahezu vollständig abgeklungen. Der Geschmackssinn ist aber nach wie vor noch durcheinander. Ich befürchte ja, dass mir das für immer erhalten bleibt. Die Augen tränen noch sehr, dafür ist das Nasenbluten weniger geworden. Die dicken Beine werde ich wohl auch nicht mehr los. Ich habe aber mittlerweile Strümpfe gefunden, mit denen das gut auszuhalten ist. Nicht besonders schick, aber zweckmäßig.

Das Wochenende soll uns ein paar wunderschöne Sonnentage ohne Unwetter bringen. Das werden wir ausnutzen. Wir werden schöne Spaziergänge machen, wenn möglich auch eine Radtour und einkehren, wo es uns nur möglich ist.

Die neue Woche beginnt für uns mit der Sperrung unserer Straße. Nein, keine neue Corona-Ausgangssperre, sondern ganz klassische Bauarbeiten. Der hintere Teil unserer Straße wird schon seit über einem Jahr auf links gedreht. So mit Kanalarbeiten, neuen Wasserleitungen, Straßenlaternen von rechts nach links versetzen, also immer schön politisch korrekt. Dafür hat man vergessen oder keine Lust gehabt, die Oberleitungen endlich mal unter die Erde zu bringen. Das Gleiche passiert jetzt bei uns.

Wer uns besuchen möchte, sollte der Einfachheit halber mit dem Fallschirm bei uns im Hof landen. Alles andere wird das nächste halbe Jahr nur schwer möglich sein. Selbst zu Fuß wird es zeitweise schwer werden, sich zu uns durchzuschlagen. Wir arbeiten gerade noch an einem Plan, wie wir das mit Einkaufen, Arztbesuchen und was man sonst noch so alles außer Haus macht, regeln können. Unsere Parkplätze im Hof können wir leider so lange nicht nutzen. Glücklicherweise konnte ich bei Bekannten, die auch noch in für mich erreichbarer Nähe sind, einen Unterschlupf für unser Auto finden. Für uns ist es beruhigend, wenn wir wissen, dass wir jederzeit relativ schnell unser Auto erreichen können. Auch wenn wir von der Therapie zurückkommen, ist es für mich Gold wert, wenn wir nicht noch ewig nach einem Parkplatz suchen müssen und ich dann eventuell noch weit laufen muss.

Diese Woche habe ich auch wieder einige Termine. Montag Hausarzt, Mittwoch CT und Freitag Zahnarzt. Beim Hausarzt habe ich mir heute neben der B12-Spritze auch meine letzte Krankschreibung abgeholt. Da die Krankenkasse mich jetzt zum 3.7. aussteuert, braucht sie, genau wie mein Arbeitgeber keine neuen Meldungen mehr. Wieder so etwas, dass merkwürdige Gefühle auslöst. Aber dafür war das Gespräch mit meinem Hausarzt wieder sehr erfreulich und aufbauend. Er hat eine sehr offene, freundliche und motivierende Art, die mir sehr guttut. Auch alle Mitarbeiter in der Praxis sind immer sehr herzlich und zuvorkommend.

Das CT am Mittwoch ist für mich natürlich der wichtigste Termin. Ich bin voller Hoffnung, dass wir die Tumore weiterhin im Griff haben. Das Ergebnis werde ich allerdings erst einige Tage danach erfahren. Aber was wäre das Leben ohne ein bisschen Spannung und Aufregung.

Auf den Zahnarzttermin freue ich mich naturgemäß etwas weniger, aber keinesfalls wegen des Arztes. Wir haben lange gesucht, bis wir so einen gefühlvollen und bodenständigen Arzt gefunden haben. Er betreibt die Praxis zusammen mit seiner Frau. Beide sind der Grund dafür, dass weder meine Frau noch ich Angst vorm Zahnarzt haben. Das war früher anders.

Am letzten Tag des Monats hatte ich das CT. Der Ablauf war wieder sensationell. Der Termin war für 9 Uhr angesetzt, fertig war das CT schon um 9.08 Uhr. Schneller geht es wirklich nicht. Dann muss man noch eine viertel Stunde warten, ob es eine unerwartete Reaktion auf das Kontrastmittel gibt. Danach noch schnell die Nadel vom Zugang ziehen und man kann wieder heimfahren.

Bisher haben wir den Port noch nie für das Kontrastmittel genutzt, aber es könnte sein, dass es bei einem der nächsten CTs erforderlich wird. Meine Venen in den Armen wurden in den letzten 1 1/2 Jahren so oft angezapft, dass es den Ärzten immer schwerer fällt, Zugänge zu legen. Anscheinend vernarben die Venen irgendwann und lassen sich dann immer schlechter anstechen.

Das Ergebnis des CTs werde ich erst irgendwann in den nächsten Tagen bekommen. Unabhängig davon habe ich mit meinem behandelnden Arzt schon abgesprochen, dass ich die nächste Therapie am 8.7. bekomme. Das war mir wichtig, damit an der kirchlichen Hochzeit meines Sohnes meine Mukositis nicht gerade in voller Blüte steht.

Wenn's nicht klappt: Ersatzlink

Bilder aus dem Juni 2021

Jeden Tag geschehen Wunder. Wir müssen sie nur zulassen. 

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