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Mein Kampf gegen den Krebs

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Aufgeben ist keine Option

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Januar 2021

Gesundheit ist wichtig, aber Liebe und Zufriedenheit sind wichtiger. Ich bin trotz meiner Krankheit glücklich wie selten zuvor und genieße jeden neuen Tag, der mir geschenkt wird. Euch/Ihnen allen wünsche ich genau diese Zufriedenheit. Eine Zufriedenheit, die einen die Höhen genießen und die Tiefen überwinden lässt. Möge sie Euch/Sie durch das bestimmt sehr spannende Jahr 2021 Tag für Tag begleiten.

​Bei einem kleinen statistischen Rückblick habe ich festgestellt, dass ich im Jahr 2020 fast dreißig Mal in Frankfurt in der Klinik war. Mit Hin- und Rückfahrt waren das etwas über dreitausend Kilometer in über 40 Stunden Fahrzeit. An Warte- und Therapiezeit in der onkologischen Ambulanz und dem CT-Bereich kamen insgesamt um die 100 Stunden zusammen.

​Morgen geht es wieder ab nach Frankfurt. Mein Sohn fährt mich am frühen Morgen. Ich bekomme dort die sechste Gabe der zweiten Therapie und werde auch die Möglichkeit bekommen, mit meinem behandelnden Arzt zu sprechen. Wenn die Gabe problemlos abläuft, gehe ich davon aus, dass ich gegen 15 Uhr fertig sein werde. Meine Frau wird mich dann abholen. Wir müssen das so aufteilen, da ich nach der Gabe kein Auto fahren sollte und meine Frau unmöglich so viele Stunden bei Schnee und Kälte draußen warten kann. Coronabedingt ist ja nach wie vor alles geschlossen und in das Krankenhaus und die Ambulanz darf meine Frau mich auch nicht begleiten.

Das neue Jahr beginnt gleich mit einem neuen Rekord. Ich war für die sechste Gabe der neuen Chemotherapie ziemlich genau 11 Stunden unterwegs. Morgens um ca. 6.40 Uhr hat mich mein Sohn abgeholt und überpünktlich gegen 7.25 Uhr an der Ambulanz abgesetzt. Trotz der frühen Uhrzeit hatte ich schon die Wartenummer 006. Um 8.15 Uhr wurde dann mein Port angestochen und darüber die Blutentnahme durchgeführt. Normalerweise dauert es dann ein bis zwei Stunden bis die Ergebnisse vorliegen und der Arzt bei positivem Befund die Therapie bestellt. Heute war alles anders. Es gibt anscheinend ein paar Personalprobleme in der Giftküche. Angeblich standen nur eine Fachfrau und eine neue Azubine zur Verfügung. Böse Zungen erklären das damit, dass die Jungs und Mädels aus der Giftküche mit den Restbeständen aus dem alten Jahr eine super Neujahrsfeier hatten.

Mein behandelnder Arzt hat die Zeit genutzt, um mit mir ein ausführliches Gespräch zu führen. Die neue Therapie geht nicht ganz spurlos an mir vorüber. Seit etwa zwei Wochen habe ich dicke Beine und merkwürdige Beschwerden an beiden Knöcheln und dem rechten Schienbein. Das sind aber durchaus übliche Nebenwirkungen, für die er mir auch einen toll klingenden Fachbegriff genannt hat. Wer mich kennt, wundert sich bestimmt nicht, dass ich den Namen natürlich schon vergessen hatte, bevor ich das Arztzimmer verließ.

Vorsichtshalber wurde heute auch noch eine weitere Ultraschalluntersuchung vom Herz vorgenommen. Die Therapie belastet das Herz und das Wasser in den Beinen könnte auch ein Zeichen für eine beginnende Herzschwäche sein. Ist es aber Gott sei Dank nicht.

Die eigentliche Therapie bekam ich erst nach 14 Uhr. Fertig war die Gabe dann gegen 16.30 Uhr. Bisher habe ich sie wieder gut vertragen. So, und jetzt lege ich erst einmal die Beine hoch und lasse den Tag in aller Ruhe ausklingen.

Der nächste CT-Termin ist am 11.02.2021. Die nächste Gabe wird, je nach Befund, dann kurz danach sein.

Am frühen Morgen des zweiten Tages nach der sechsten Gabe der neuen Therapie haben sich noch keine deutlichen Nebenwirkungen eingestellt. Im Mund merke ich aber schon ein wenig die aufkommende Mukositis. Mittlerweile versuche ich auch mit Xylitol vorbeugend gegenzusteuern. Es gibt wohl einige Menschen, die damit sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Falls ich auch dazugehören sollte, wird man das hier natürlich erfahren. Zusätzlich verwende ich regelmäßig Kokosöl und Panthenol, sowohl vorbeugend als auch akut.

Der Wasserstau in den Beinen hat sich noch nicht deutlich verbessert. Dafür habe ich dank des Medikamentes dagegen jetzt etwas mehr Bewegung. Insgesamt fühle ich mich schlapp und bin sehr viel müde. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass die Reaktion meines Körpers auf die Therapie jedes Mal ein klein wenig stärker wird. Wenn das auch für die Tumore gilt, soll mir das aber recht sein. Das erfahre ich frühestens beim nächsten CT im Februar. Das sind noch vier lange Wochen.

Die neu beschlossene Lockdownverlängerung und die teilweise verstärkten Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit lassen mich nichts Gutes erahnen. Vielleicht komme ich in die Situation, für den Weg in die Klinik künftig eine Sondergenehmigung zu brauchen. Wer weiß, ob das überhaupt möglich sein wird. Vielleicht hätten wir uns im November lieber einen gebrauchten Rettungswagen kaufen sollen.

Der dritte Tag bringt mir die Mukositis langsam zurück. Sie ist zwar noch lange nicht in voller Blüte, aber schon deutlich spürbar. Als vorläufiges Fazit kann ich schon einmal festhalten, dass Xylitol bei mir bisher nicht die gewünschten Ergebnisse bringt. Meine Stimme ist heute recht angeschlagen. Ein krächzender Rabe klingt bestimmt wie ein Tenor im Vergleich zu mir. Die Beine sind nach wie vor geschwollen. Das Atmen fällt mir heute recht schwer und ich bin sehr müde. Alle Bewegungen strengen mich an und fühlen sich ein bisschen wie ein Muskelkater an.

Auch am vierten Tag steigern sich die Nebenwirkungen. Die Mukositis wird immer deutlicher spürbar, die Nase blutet wieder bei jeder Gelegenheit, die Augen haben ohnehin nicht aufgehört zu tränen und Bewegungen aller Art fallen mir auch immer schwerer. Die Beine sind nach wie vor geschwollen und das Atmen fällt mir unverändert schwer. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Therapie so langsam anfängt, immer mehr in meinem Körper anzugreifen. Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiter entwickelt.

Heute ist Samstag und damit Tag fünf nach der Gabe. Bisher haben sich die Nebenwirkungen gegenüber gestern nicht weiter verschlimmert. Xylitol hat die Mukositis zwar nicht verhindert, aber bisher, zusammen mit einem besonderen Heilöl (Mund-Vital-Öl-Bio von Primavera), das mir gute Freunde geschenkt haben, sehr gut in Schach gehalten und sie ist so sehr gut auszuhalten. Ein Grund zur Freude. Außerdem scheint heute mal wieder die Sonne. Es ist kaum zu glauben, welch positiven Einfluss das auf meine Verfassung hat. Das ist schon enorm. Für heute ist also erst mal Party angesagt.

Montag, der siebte Tag nach der Gabe, beginnt mit -3° und herrlichem Sonnenschein. Etwas weniger herrlich ist die Mukositis. Sie hat über Nacht noch mal eine Schippe draufgelegt. Aber das ist nicht so schlimm. Ich rede dann halt weniger, meine Frau würde sagen: Noch weniger und esse am liebsten nur noch Spaghetti mit grünem Pesto. Meine extreme Müdigkeit hat sich, ebenso wie die geschwollenen Beine noch nicht wirklich gebessert. Das Nasenbluten ist auch unverändert heftig. Aber zum Ausgleich macht das Wetter gute Laune.

Der achte Tag nach der Gabe beginnt mit leichtem Schneefall. In Bezug auf die Nebenwirkungen, ganz besonders die Mukositis, möchte ich heute eine Lebensweisheit meines ältesten Sohnes zitieren: Schlimmer geht immer. Das bewahrheitet sich leider auch diesmal. Das Atmen fällt mir weiterhin schwer und ich habe auch den Eindruck, dass die Kurzatmigkeit wieder etwas zugenommen hat. In der Summe fände ich es im Moment ziemlich genial, wenn wir Menschen auch einen Winterschlaf machen würden. Die nötigen Fettreserven für zwei bis drei Monate Dauerschlaf hätte ich auch schon.

Der erste Jahrestag

Heute ist der 14. Januar und damit Tag zehn nach der letzten Gabe. Die Nebenwirkungen sind unverändert, dass bedeutet hoffentlich, dass sie nicht mehr schlimmer werden und sich in den nächsten Tagen vielleicht sogar schon abschwächen könnten. Die Aussicht gefällt mir.

Seit heute ist es auch genau ein Jahr her, dass ich in die Klinik in Mainz eingewiesen wurde. Mein Hausarzt hatte mir bei einem Wiesbadener Pneumologen einen Notfalltermin organisiert. Dieser hat mich nur kurz angesehen, abgehört, eine Röntgenaufnahme und einen Lungenfunktionstest gemacht. Sein Erster und eigentlich auch einziger Kommentar war kurz und knapp: Sie sind kein Patient mehr für mich. Er machte mir klar, dass ich in eine Fachklinik eingeliefert werden muss. Er wollte mich in die HSK in Wiesbaden schicken. Als ich HSK hörte, habe ich reflexartig nach einer Alternative gefragt. So kam das KKM in Mainz ins Gespräch. Das war mir sofort wesentlich sympathischer. Der Pneumologe hat daraufhin sofort im KKM angerufen und die Notaufnahme auf mein Kommen vorbereitet. Er wollte sicherstellen, dass ich in meinem Zustand nicht längere Zeit warten muss und möglichst zügig auf die Fachstation komme.

 

Mein Sohn, der mich auch schon zu dem Pneumologen gefahren hat, brachte mich darauf hin in das KKM. Dann ging alles sehr schnell. In der Notaufnahme hatte ich gerade mal Zeit die Aufnahmeformalitäten zu erledigen. Ich kam sofort auf die Station. Die genauen Abläufe in ihrer Reihenfolge kann ich gar nicht mehr wiedergeben, zu schnell ging alles. Es war ein bisschen viel auf einmal für mich, zumal ich ja kaum noch Luft bekam. Im Ruhezustand klappte das Atmen noch ganz gut, aber bei der kleinsten Belastung sah das ganz anders aus. Dann kam eine Untersuchung nach der nächsten. MRT, CT, Ultraschall und Bronchoskopie, um nur einige zu nennen. Es ging alles Hand in Hand, in Ruhe, mit viel Herzlichkeit und ohne lange Wartezeiten.

 

Der junge Assistenzarzt, der sich um mich kümmerte, hatte vom ersten Moment an mein volles Vertrauen. Er war sehr liebevoll und wirkte sehr kompetent und engagiert. Man hat gespürt, dass man ihm als Mensch nicht egal ist. Sein Chef war da eine etwas andere Hausnummer. Wohl eine durchaus anerkannte Autorität in seinem Fach, aber von der menschlichen Kompetenz her eher ein Fall für die Reservebank. Als Patient möchte ich mich darüber noch nicht einmal beschweren, aber sein Umgang mit dem Personal und diesem hervorragenden jungen Assistenzarzt war für mich einfach unerträglich. Dabei sollte sich ein Chefarzt eigentlich bewussst sein, dass er ohne alle diese vielen wichtigen Helfer nie auf einem Golfplatz wäre. Glücklicherweise hatte ich mit ihm nicht so viel zu tun. Bis auf die nüchterne Diagnose: Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium, inoperabel und unheilbar. Von Patienten mit so einem Befund leben nach 24 Monaten noch 15 - 17 %, das ist hier aber nicht der Fall.

Aber wie man auf diesen Seiten lesen kann, habe ich mich davon nicht wirklich beeindrucken lassen. Ich habe zwar inzwischen gemerkt und gelernt, dass mein Weg nicht einfach ist, aber meine Güte, wer hat es denn heutzutage schon einfach. Außerdem kann man alles, was man sich hart erarbeitet hat, viel mehr genießen.

Erleichterung bei Mukositis

Elf Tage nach der letzten Gabe sind die unangenehmsten Nebenwirkungen am Abklingen. Ganz besonders die Mukositis ist deutlich schwächer geworden. Insgesamt war die Mukositis diesmal etwas schwächer und kürzer als bisher. Ich konnte sie zwar vorbeugend nicht verhindern, konnte sie aber ziemlich gut eindämmen. Deshalb möchte ich allen ebenfalls Betroffenen hier meine wichtigsten Tipps kurz zusammenfassen:

​Mundhygiene ist anscheinend das entscheidende Thema. Zur täglichen Mundpflege nehme ich mittlerweile Biorepair Zahncreme sensitiv. Diese Zahncreme ist zwar sehr teuer, dafür aber ohne Flourid, kann Zahnschmelz reparieren und ist sehr mild im Mund. Es ist bisher die einzige Zahnpasta, die ich auch während der akuten Mukositis benutzen konnte ohne zu leiden. Direkt nach dem Zähneputzen nehme ich noch einen guten Teelöffel natives Bio-Kokosöl (gibts bei Lidl und Rewe für kleines Geld) als Mundspülung. Damit ich mir nicht dauernd neue Aufsätze für meine elektrische Zahnbürste kaufen muss und trotzdem keine Probleme mit der Hygiene bekomme, lagere ich den Aufsatz immer in einer Desinfektionslösung (3%ige Wasserstoffperoxid Lösung mit Wasser verdünnt).

Bereits einige Tage vor der Therapie habe ich angefangen, mindestens nach jeder Mahlzeit, nach Möglichkeit aber öfter und zum Schlafengehen Xylitol-Bonbons zu lutschen. Über den Geschmack kann man streiten, aber die desinfizierende Wirkung sorgt anscheinend für eine gesunde und gute Mundflora. Leider sind die Bonbons auch nicht gerade preiswert, aber als Ex-Raucher sehe ich das relativ. Die Bonbons, die ich mir ausgesucht habe, haben drei Geschmacksrichtungen. Ich lutsche die mit Minze nicht während der akuten Mukositis, das wäre zu schmerzhaft. Aber davor und danach sind sie sehr lecker und erfrischend. Die Bonbons mit Kirsch- und Melonengeschmack sind sehr mild im Mund. Ich konnte sie auch während der akuten Mukositis lutschen.

Von guten Freunden habe ich ein spezielles Heilöl geschenkt bekommen, das mir bei der akuten Mukositis Erleichterung verschafft hat. Es heißt Mund-Vital-Öl bio und hat einen (ungewohnten) Sprühaufsatz. Der hat es mir ermöglicht, dieses Öl zielgenau auf die schlimmsten Stellen zu spritzen. Das bringt sofort das Gefühl der Erleichterung, fühlt sich zusätzlich heilend an und schmeckt angenehm mild.

​Von einem besonders lieben Menschen wurde mir Panthenol empfohlen. Davon lutsche ich mehrere am Tag. Das fühlt sich recht angenehm an und unterstützt ebenfalls die Heilung.

Für Menschen, die hart im Nehmen sind, kann ich noch Kamistad Gel empfehlen. Ich trage bei akuter Mukositis mit dem Finger etwas davon auf die schlimmsten Stellen auf. Im ersten Moment durchzieht einen der Schmerz vom Mund bis zum kleinen Zeh. Aber noch bevor der Schweiß auf der Stirn richtig kalt werden kann, setzt ein beruhigender Effekt ein und die Heilung wird begünstigt.

Mein Arzt hat mir eine Düsseldorfer-Lösung verschrieben. Ich habe dafür auch schon den Namen Pariser-Lösung gehört. Wahrscheinlich damit man sie auch Kölnern verschreiben kann. Diese Lösung ist für die akute Mukositis gedacht. Sie desinfiziert den Mund und betäubt ihn für einige Minuten etwas. Das erleichtert die Nahrungsaufnahme erheblich. Deshalb nimmt man sie kurz vor und nach den Mahlzeiten zum Mundspülen. Ausspucken bitte nicht vergessen. Da nicht jeder Arzt das Rezept sofort parat hat und im Internet die verschiedensten Rezepte kursieren, hier kurz die mir verschriebene Rezeptur: Lidocain-HCI 3,00 g, Dexpanthenol 15,00 g, Kamillosan 15,00 g, Glycerin 9,00 g, Natriumbenzoat 0,45 g, Citronensäure 0,30 g und Aqua purificata ad 300,00 g.


Zusätzlich nehme ich das ebenfalls ärztlich verschriebene Pilzmittel Ampho-Moronal. Ich persönlich bevorzuge die Lutschtabletten, da man sie sehr lange im Mund haben kann. Das gibt mir das Gefühl, dass es besser wirken kann.

Seit meiner ersten Mukositis trinke ich fast ausschließlich eine Mischung aus Kamillen- und Pfefferminztee. Während der akuten Mukositis trinke ich nichts anderes mehr. Für eine Kanne Tee (ca. 600 ml) nehme ich zwei Beutel Kamillentee und einen Beutel Pfefferminztee. Den Tee lasse ich immer vollständig abkühlen. Durch die Pfefferminze gibt das dann einen sanft kühlenden Effekt, der augenblicklich die Schmerzen deutlich reduziert und beim Schlucken auch noch im Rachen guttut. Mein geliebter Kaffee fehlt mir in dieser Zeit überhaupt nicht.

Das Essen fällt manchmal etwas schwer. Aber mithilfe der Düsseldorfer-Lösung war es mir bisher immer möglich, zumindest Dinkel-Spaghetti mit grünem Pesto zu essen. Zum Frühstück, Mittagessen und auch Abendessen, gerne auch am selben Tag.


Bestimmt übersteht man eine Mukositis auch ohne diese ganzen Mittelchen. Ich persönlich habe aber dadurch komplett die Angst vor der Mukositis verloren und kann sie so locker ertragen. Es würde mich freuen, wenn der eine oder andere Tipp auch anderen Menschen das Leben etwas erleichtern könnte.

Hier gibt es eine PDF-Datei mit den wichtigsten Infos zum Download

Das Warten auf das CT

Der halbe Januar ist nun schon wieder rum. Die Mukositis ist nur noch leicht spürbar, das Nasenbluten wird langsam etwas weniger und die Beine sind wieder etwas dünner geworden. Das Tränen der Augen bleibt aber weiterhin mein ständiger Begleiter. Da dadurch immer die Nase läuft, ist diese auch meistens etwas wund. Ich habe mir deshalb aus Kokosöl und Kamillenblüten eine Heilsalbe gemacht, mit der ich die Nase so oft wie möglich einreibe. Das hilft ziemlich gut, aber gegen die Dauerbelastung vom ständigen Naseputzen kommt die Salbe dann doch nicht immer an.

 

Bis zum CT stehen nur noch zwei kleinere Termine an. Nächste Woche muss ich mir meine monatliche B12-Spritze geben lassen und brauche auch wieder zwei Bauchspritzen für die Leukozyten. Die Blutuntersuchung für das CT lasse ich wieder von meinem Hausarzt machen, damit ich dafür nicht extra nach Frankfurt fahren muss.

Ich muss zugeben, dass mir das Warten auf das CT diesmal nicht leicht fällt. Das liegt daran, dass mir das Atmen immer noch recht schwerfällt und die Kurzatmigkeit leider etwas zugenommen hat. Ich möchte doch zu gerne wissen, wie sich die Tumore inzwischen entwickelt haben.

Was für ein Sonntagmorgen. Die Mukositis meint noch einmal etwas aufflackern zu müssen, meine Beine fühlen sich an, als wären es die Beine einer alten Marktfrau am Ende eines viel zu langen Arbeitstages (sie sehen auch ein bisschen so aus), meine Augen veranstalten im Zusammenspiel mit meinem leicht wunden Stupsnäschen eine kleine Springflut und draußen hat es auch noch geschneit. Kurz, ein Tag wie fast jeder andere in diesem Winter für mich.

Ich habe daher spontan beschlossen, meine morgendliche Runde auf dem Heimtrainer gegen eine Runde Schneeräumen zu tauschen. Ich bin dabei zwar nicht besonders schnell und mache auch viele Pausen, aber es ist mal eine Abwechslung und vor allem bekomme ich jede Menge frische Luft in die Lungen. Die Nebenwirkungen haben sich, bis auf das Tränen der Augen, durch die Bewegung an der frischen Luft auch wieder spürbar beruhigt.

Ach Gott'sche na, was en Kappes

Bisher habe ich mir keine Maskenbefreiung ausstellen lassen. Da ich mit den bisher erlaubten Dreiecktüchern einigermaßen zurechtkam, war das auch nicht notwendig. Unter den Tüchern kann ich noch einigermaßen atmen, ohne sofort das Gefühl zu bekommen, dass ich ersticken muss. Bei Anstrengung klappt aber auch das nicht wirklich. Ich meide deshalb, bis auf die onkologische Ambulanz, alle Orte mit Maskenpflicht oder halte mich nur extrem kurz dort auf.

Die gestrigen Beschlüsse zur Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns haben mich deshalb sehr beunruhigt. Ich bin keinesfalls in der Lage, eine medizinische Maske länger zu tragen. Selbst bei OP-Masken setzt bei mir nach kurzer Zeit heftige Atemnot ein. Damit verbunden sind dann auch Panikattacken. Das hat mich so beschäftigt, dass ich heute Vormittag eine Mail an meinen behandelnden Arzt geschrieben habe. Es hat noch keine zwei Stunden gedauert und ich habe von ihm eine ärztliche Bestätigung erhalten, dass ich aufgrund meines metastasierten Bronchialkarzinoms keine medizinischen Masken tragen kann, dafür aber weiterhin die Dreiecktücher verwende. Damit kann ich sehr gut leben.

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Heute ist die letzte Gabe bereits 18 Tage her. Die Mukositis ist vollständig verschwunden und das Nasenbluten hält sich im Rahmen. Die Beine sind weiterhin etwas dick und das Augentränen hält sich hartnäckig. Da ich erst im Februar einen CT-Termin bekommen habe, hat mein Körper diesmal deutlich mehr Zeit, sich vor der nächsten Gabe zu erholen. Ich werde die Zeit nutzen, mich möglichst gut zu erholen und fit zu machen. So wie es gerade aussieht, werde ich heute in erster Linie vom Fenster aus dem Regen zusehen können. Bei so einem Wetter gehe ich lieber nicht vor die Tür. Ich beschränke mich dann vorsichtshalber auf den Heimtrainer und Mentaltraining.

Es ist Sonntag und damit Tag zwanzig nach der letzten Gabe. Ich fühle mich richtig gut. Etwas müde noch, die Beine werden auch nicht wirklich dünner und die Augen hören einfach nicht auf zu tränen, aber daran habe ich mich mittlerweile ganz gut gewöhnt. Es hat wieder etwas geschneit. Ich werde jetzt eine kleine Runde Schnee schippen, eine kleine Radtour auf dem Heimtrainer absolvieren und dann schauen, was der Tag noch so bringt. Da bei so einem Wetter an Wochenenden mittlerweile hier in der Gegend so gut wie alle Parkplätze gesperrt werden, bleibt uns nur ein Spaziergang bei uns vor der Tür. Glücklicherweise ist es hier bei uns aber auch sehr schön.

Der Spaziergang ist mittlerweile geschafft. Diesmal war es die große Runde. Das sind ziemlich genau drei Kilometer. Der Weg ist mir heute nicht leicht gefallen. Die Steigung hat mich ziemlich angestrengt. Die Therapie kostet mich anscheinend einiges an Kraft. Die Luft wird gefühlt wieder ein wenig knapper. Direkt nach dem Spaziergang habe ich mich erst einmal hingelegt und einen ausführlichen Mittagsschlaf gemacht.

Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte - Rehabilitierungsantrag

Meine Krankenversicherung hat meine Befunde prüfen lassen und daraufhin vorgeschlagen, dass ich einen Antrag für eine Reha stellen soll. Allerdings nicht mit dem Ziel, tatsächlich eine Reha-Maßnahme zu erhalten, sondern um auf diesem Weg letztlich eine Rente zu beantragen. Das Anschreiben und die auszufüllenden Formulare umfassen 26 Seiten. Ein Hoch auf die deutsche Bürokratie. Wer möchte, kann sich gerne mal ein eigenes Bild davon machen und sich hier die offiziellen Formulare der Deutschen Rentenversicherung ansehen: G0100 G0110 G0115 G0600 G1204 G9590

Ich habe zwar mehrere Wochen Zeit, das alles zu erledigen, aber trotzdem wirkt das in der Gesamtheit erschlagend und bedrückend auf mich. Da die Krankenkasse anhand meiner Befunde ein ärztliches Gutachten hat erstellen lassen, hätte sie nach meinem Empfinden die wichtigen medizinischen Fragen bereits vorausfüllen können. Außerdem habe ich keinen Überblick darüber, ob das für mich im Moment überhaupt der richtige Schritt ist. Klar, das Krankengeld bekomme ich nur zeitlich begrenzt, maximal wohl bis zum Juli 2021. Aber ob die Rente, die bestimmt gekürzt sein wird, der richtige Weg für mich ist, kann ich nicht beurteilen. Nach ersten Hinweisen könnte ich nach dieser Aussteuerung (auslaufen des Krankengeldes) auch erst einmal Arbeitslosengeld beantragen. Das könnte sinnvoller sein, vor allem dann, wenn mein Lebensweg während der Dauer des Bezuges zu Ende gehen sollte. Vermutlich ist die Witwenrente dann etwas höher.

 

Das eigentliche Problem könnte für mich darin liegen, in der jetzigen Zeit hilfreiche und kompetente Beratung zu bekommen. Man kann sich ja mit niemandem in Ruhe zusammensetzen. Wahrscheinlich kann alles nur via Telefon erledigt werden. Das ist überhaupt nicht mein Ding. Wer da wichtige Tipps für mich hat, einen guten Berater oder Anwalt für dieses Thema empfehlen kann, darf mir gerne eine Mail (stefan(at)augen-blicke.eu) schreiben.

Jedenfalls weiß ich jetzt, womit ich mich in der nächsten Zeit vorwiegend beschäftigen werde. Insgesamt finde ich diese Vorgehensweise etwas fragwürdig, werden doch nur Menschen vor diese Aufgabe gestellt, deren Erwerbsfähigkeit laut medizinischem Gutachten gefährdet ist. Viele der Betroffenen sind bestimmt nicht mehr so fit wie ich und/oder haben keine Angehörigen, die sie unterstützen können.

Na Prost Mahlzeit

Mittlerweile sind die ersten Recherchen gemacht und auch die ersten Gespräche geführt. Wir waren heute bei meinem Hausarzt zum Gespräch und ich hatte danach ein erstes Telefonat mit der Arbeitsagentur. Ich war sehr positiv überrascht, wie souverän und kompetent die Dame am Telefon wirkte. Sie wusste sofort mit diesem Thema etwas anzufangen und hat mir wertvolle Hinweise gegeben. Es ist richtig heftig, wie mich das alles mental und körperlich mitnimmt. Es ist noch nicht einmal Mittag und ich bin schon völlig erschöpft. Mein Bett ist mir gerade viel wichtiger als das Mittagessen.

Aber einmal davon abgesehen, deutet für mich im Moment alles darauf hin, dass ich bei meinem Gesundheitszustand gar keine andere Wahl mehr habe, als die Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Alternativ könnte ich mich von der Krankenkasse aussteuern lassen. Das hätte zur Folge, dass ich via Arbeitsagentur Arbeitslosengeld beantragen könnte. Das würde mir im Rahmen einer Nahtlosigkeitsregelung wohl auch vorläufig gewährt werden. Allerdings ist das auch mit einer Prüfung meines Gesundheitszustandes verbunden. Das würde unmittelbar dazu führen, dass ich einen Rentenantrag stellen müsste, da aus heutiger Sicht nicht mehr zu erwarten ist, dass meine Arbeitsfähigkeit noch einmal hergestellt werden kann.

Unabhängig davon werde ich mich noch von verschiedenen Stellen beraten lassen. Ich werde mich noch an meinen behandelnden Arzt im Nordwestkrankenhaus, den Sozialdienst des Nordwestkrankenhauses, den VdK und an einen Anwalt mit Schwerpunkt Sozialrecht wenden. Letzteres alleine schon deswegen, um sofort handlungsfähig zu sein, sollte man mir nicht die volle Erwerbsminderungsrente zugestehen wollen.

Da heute schon der 29. ist, werde ich im Januar wahrscheinlich nicht mehr viel zu schreiben haben. Deshalb noch kurz zu meinem Zustand. Die Nebenwirkungen der Therapie sind bis auf das Augentränen, die Müdigkeit und die dicken Beine abgeklungen. Das Atmen fällt mir allerdings von Tag zu Tag wieder ein bisschen schwerer. Die extreme Atemnot habe ich aber glücklicherweise noch lange nicht. Ich werde die zwei Wochen bis zum CT und der Nachbesprechung alles für meine Fitness tun, denn danach geht es bestimmt wieder sofort zur Sache.

Wenn's nicht klappt: Ersatzlink

Wenn's nicht klappt: Ersatzlink

Bilder aus dem Januar 2021

Jeden Tag geschehen Wunder. Wir müssen sie nur zulassen. 

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