Mein Kampf gegen den Krebs
Aufgeben ist keine Option
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September 2021
Wenn andere am Boden liegen und wimmern, beißen Kämpfer die Zähne zusammen und stehen wieder auf und machen weiter. Immer wieder und wieder. Am Ende zählt nicht, wie oft du zu Boden gegangen bist, sondern nur, wie oft du wieder aufgestanden bist.
Warum erzähle ich das? Einerseits, weil ich persönlich jetzt in einer Phase bin, in der ich gesundheitlich um mein Überleben immer stärker kämpfen muss, aber auch, weil die Zeiten sich ändern. Nicht nur für mich, sondern für uns alle. Die nächsten Monate werden uns viele Veränderungen und neue Herausforderungen bringen.
Nur ein kleines Beispiel: Unser Stromanbieter hat uns kurz angeschrieben und bittet um Verständnis, das man den Arbeitspreis ab November erhöhen müsse. Kurz nachgerechnet: satte 41 % Erhöhung. Diesmal werden wir durch einen Anbieterwechsel dem noch einmal entgehen können, aber teurer wird es trotzdem. Wir alle werden erleben, dass sich unser tägliches Leben in den nächsten Monaten und Jahren deutlich verändern und verteuern wird. Autofahren, wohnen und das tägliche Brot werden anscheinend nach und nach zu Luxusgütern.
Aber nun zurück zu mir. Es ist der 13 Tag nach der Gabe. Die Mukositis ist am Rückzug und die aufgekommenen Zahnschmerzen waren unerheblich und sind wieder verschwunden. Die Nase blutet zwar nicht mehr so oft, dafür ist die Blutung manchmal über eine Stunde lang nicht zu stoppen. Ich hoffe, dass sich das ändert, wenn ich heute und morgen von meinem Sohn wieder die Bauchspritzen bekomme. Die dicken Beine, das Tränen der Augen und die Taubheitsgefühle in Händen und Füßen bleiben leider. Das Taubheitsgefühl in der Unterlippe ist aber verschwunden.
Nachher geht es ab zum Arzt, um die monatliche B12-Spritze zu bekommen. Da in der letzten Woche die Narbe von meinem Port angefangen hat, sich bemerkbar zu machen und sich sogar kleine Pusteln, die nässen gebildet haben, werde ich den Arzt auch darauf mal ansprechen. Vielleicht hängt das nur mit der Entgiftung durch die Basenbäder zusammen, aber man weiß ja nie.
Da das Wetter etwas wärmer und trockener werden soll und es mir trotz allem recht gut geht, werden meine liebe Frau und ich versuchen in den nächsten Tagen noch die eine oder andere Radtour zu machen und ganz wichtig, ich möchte mir für Herbst und Winter einen schönen Filzhut kaufen.
Der 14. Tag nach der Gabe fing für mich gegen 4 Uhr morgens an. Ich wurde wach und musste Nase putzen. Von diesem Moment an hatte ich bis gegen 8 Uhr Nasenbluten. Es ist immer wieder die linke Nasenseite, in der sich das Blut standhaft weigert zu gerinnen. Alle Tricks haben nichts genutzt. Ich konnte nur abwarten. Na ja, hat ja letztlich auch funktioniert.
Ansonsten geht es mir eigentlich recht gut. Die anderen Nebenwirkungen sind im gewohnten Rahmen und ganz langsam normalisiert sich mein Geschmacksinn wieder. Das Taubheitsgefühl in den beiden Füßen bleibt leider unverändert. In den Händen ist es nur ganz zart, aber es ist da.
Weil der Tag heute so unangenehm angefangen hat, habe ich die frühe Morgensonne auf dem Balkon ausgenutzt und zur Entspannung ein Sonnen- und Fußbad genommen. Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Nachbarn ich damit einen überraschend fröhlichen Start in den Tag ermöglicht habe. Aber egal, Eitelkeit ist weder eine Tugend noch eine Zier, sondern einfach nur dumm. Was gut tut, zählt.
Der 16. Tag nach der Gabe beginnt mit etwas Zahnschmerzen. Noch nicht schlimm, aber das kann sich ja recht schnell ändern. Seltsamerweise versucht die Mukositis einen zweiten Anlauf. Das Kribbeln ist in die Zunge zurückgekehrt. Ich hoffe, dass das schnell wieder vorbeigeht. Die anderen Nebenwirkungen sind nahezu unverändert und stören bei dem schönen Wetter kaum.
Der 20. Tag nach der Gabe ist normalerweise der Tag vor der nächsten Gabe. Die 16. Gabe der zweiten Therapie wird diesmal aber noch etwas auf sich warten lassen. Zuerst kommt am 20. September das nächste Kontroll-CT und die Nachbesprechung. Daher hat mein Körper diesmal mindestens zwei Wochen mehr Zeit, sich zu erholen. Ich hoffe sehr, dass ich diese Zeit sinnvoll nutzen kann, um zumindest einen Teil der Nebenwirkungen einzudämmen. Ich würde mich ganz besonders freuen, wenn das Tränen der Augen aufhören würde und die Beine mal wieder etwas dünner werden würden. Was seit ein paar Tagen neu dazugekommen ist, ist, dass die innere Narbe des Ports, also dort, wo der Port am Muskel festgenäht ist, angefangen hat, wehzutun. Leider so, dass ich vermuten muss, dass sich da etwas entzündet hat.
Tag 21 nach der Gabe beginnt mit einem außerplanmäßigen Arztbesuch. Die innere Narbe am Port macht mir immer mehr zu schaffen. Mittlerweile genügen kleine Bewegungen oder geringer Druck, um die Narbe deutlich zu spüren. Teilweise zieht dieser dumpfe Schmerz bis in die rechte Schulter, den Ellenbogen und sogar das Handgelenk. Ich hoffe sehr, dass sich das leicht beheben lässt, aber ich gebe zu, es fühlt sich im Moment nicht so an. Ich gehe davon aus, dass das ebenso eine Auswirkung der Therapie ist, wie die Taubheitsgefühle in den Füßen und die temporären Zahnschmerzen.
Der gestrige Arztbesuch hat mir keine neuen Erkenntnisse gebracht. Dafür aber etwas Beruhigung. Die innere Narbe des Ports scheint tatsächlich entzündet zu sein. Zur Sicherheit wurde mir Blut abgenommen, um die Entzündungsmarker zu bestimmen. Leider kann man an dieser Stelle nicht viel machen. Glücklicherweise ist die Funktion des Ports dadurch bisher nicht eingeschränkt.
Die Entzündung muss von alleine zurückgehen. Ich kann das nur versuchen zu unterstützen, indem ich versuche, die Stelle nicht durch unnötige Bewegungen immer mehr zu reizen. Die Schwellung kann ich versuchen, durch kühlen zu verringern. Das habe ich bisher nicht getan, da ich schon alleine bei dem Gedanken oben an der Schulter etwas Kaltes zu haben, am ganzen Körper anfange zu frieren. Bisher ist es zumindest nicht schlimmer geworden. Falls das aber doch passieren sollte, findet mein Hausarzt, dass ich das dann besser mit den Ärzten in der Onkologie in Frankfurt bespreche.
Ansonsten bewegen sich die Nebenwirkungen im üblichen Rahmen. Die Augen tränen nach wie vor, was das Zeug hält, die Beine sind immer noch sehr dick und die Taubheitsgefühle in den Füßen bleiben unverändert stark. Dafür ist das Taubheitsgefühl in den Händen kaum noch zu spüren und der Mund hat sich gut von der Mukositis erholt. Auch der Geschmacksinn normalisiert sich ganz langsam immer mehr. Da ich gefühlt auch unverändert "gut" atmen kann, hoffe ich, dass die Tumore weiterhin Ruhe halten. Ich werde jetzt auf jeden Fall jeden Tag bis zur nächsten Therapie ganz bewusst genießen. Zum einen, um mich zu erholen, zum anderen, weil ich genau weiß, dass mit der nächsten Therapie alle Nebenwirkungen wieder deutlich zunehmen werden.
Vierundzwanzig Tage nach der letzten Gabe ist die Situation nahezu unverändert. Die Beschwerden an der inneren Narbe des Ports sind weniger geworden. Dennoch sind die Narbe und das Gewebe drumherum sehr fest und leicht geschwollen. Die Entzündungswerte sind nur minimal erhöht. Also besteht erst einmal keine Gefahr.
Leider muss ich im Moment meine Aussage von vor zwei Tagen relativieren. Mir ist heute das Spazierengehen extrem schwergefallen. Die Muskeln in Beinen und Hintern haben mir richtig wehgetan und auch das Atmen ist mir deutlich schwerer gefallen als die letzten Tage. Ich will das nicht auf die Goldwaage legen, da das Wetter und der Pollenflug bei mir darauf auch eine Auswirkung haben. Aber in meiner Situation ist man feinfühlig bei diesem Thema.
In dieser Woche ist für mich eigentlich zu viel los. Heute waren wir mit der Schwiegermutter einkaufen. Das Auto muss über den TÜV und deshalb in die Werkstatt. Es ist zwar eigentlich etwas früh, aber ich lasse auch gleich die Winterreifen aufziehen. Ich habe noch keine Ahnung, wie ich die Reifen zum Auto schaffen soll oder umgekehrt. Bei uns ist immer noch alles gesperrt. Gesund wäre das kein Ding, aber so ist das eine mächtige Herausforderung. Dann sind wir zu einem 90. Geburtstag in Frankfurt eingeladen und keiner kann uns bisher sagen, ob wir als Ungeimpfte überhaupt in das Restaurant dürfen.
Aber irgendwie werde ich das alles schaffen. Nächste Woche geht es dann endlich zum CT. Da für mich sehr viel davon abhängt, bin ich nicht ganz so entspannt, wie ich gerne wäre. Aber schauen wir mal ...
Die Reifen sind nun längst im Auto und das Auto ist auch schon in der Werkstatt. Dort bleibt es jetzt für zwei oder drei Tage. Der Inhaber der Werkstatt, die ich übrigens nur empfehlen kann, hat uns einen Leihwagen zur Verfügung gestellt. Das gibt uns das gute Gefühl, auf alles reagieren zu können. Hoffen wir mal, dass es nicht erforderlich sein wird.
Grundsätzlich geht es mir nach wie vor unverändert und ich fühle mich gut. Allerdings habe ich seit einigen Tagen zusätzlich Rückenschmerzen bekommen. Zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht. So etwas hat man halt mal. Aber leider hören sie nicht auf, sondern werden stärker. Da fällt mir natürlich gleich die Metastase vom 12. Brustwirbel ein, die dort im letzten Spätsommer neu entdeckt wurde. Das CT wird zeigen, ob da ein Zusammenhang besteht und gegebenenfalls Handlungsbedarf besteht. Merkwürdigerweise wird meine Frau im Moment von den gleichen Beschwerden geplagt. Wir beide stehen jetzt auf und setzen uns hin wie so richtig alte Leute.
Mittlerweile haben wir schon den 28. Tag nach der letzten Gabe. Eigentlich hatte ich gehofft, dass die Nebenwirkungen durch die längere Erholungsphase spürbar nachlassen. Leider ist das nicht so. Die Beine sind ordentlich dick, die Augen tränen unverändert heftig, der Geschmacksinn ist immer noch durcheinander, der Mundraum ist immer noch genauso empfindlich, das Nasenbluten ist zwar besser geworden, aber lange noch nicht verschwunden und die Taubheitsgefühle in den Füßen bleiben unverändert.
Das alles beunruhigt mich aber nicht. Was mich aktuell beschäftigt, sind die Rückenschmerzen und die entzündete innere Narbe vom Port. Beides macht sich von Tag zu Tag ein kleines bisschen mehr bemerkbar. Von den Schmerzen her ist beides problemlos auszuhalten. Aber ich mache mir halt Gedanken über die Verwendbarkeit des Ports, wenn die Entzündung stärker wird und ob die Rückenschmerzen im Zusammenhang mit der bekannten oder neuen Metastasen zu sehen sind. Letzteres wird das CT am Montag ans Tageslicht bringen. Das Ergebnis werde ich wahrscheinlich aber erst am Mittwoch bekommen. Theoretisch könnte dann am Donnerstag bereits die nächste Therapie folgen. Das wäre dann die 16. Gabe der 2. Therapie.
Wir haben heute den 31. Tag nach der letzten Gabe. Heute Nachmittag ist das Kontroll-CT. Da mir die Narbe vom Port immer größere Sorge bereitet, werde ich versuchen, vorher einen der Ärzte in der Onkologie die Narbe begutachten zu lassen. Auch die Rückenprobleme sind unverändert. Mittlerweile habe ich aber den Eindruck, dass das nicht im Zusammenhang mit Metastasen zu sehen ist. Aber wir werden sehen.
Gerade eben hatte ich das große Glück, meinen behandelnden Arzt direkt zu erreichen. Ich darf heute Nachmittag vor dem CT zu ihm kommen, damit er sich die Narbe des Ports anschauen kann. Ich bin schon mächtig gespannt, was dabei rauskommt und wie die Geschichte weitergeht. Von "kann man lassen" bis "der Port muss raus" ist für mich alles denkbar. Wobei mir Ersteres natürlich ein klein wenig lieber wäre. Wenn ich so daran denke, welche Gefühle in mir aufkamen, als sie mir damals den Port nur mit örtlicher Betäubung gelegt haben, wäre ich vielleicht doch lieber still gewesen und hätte das stumm ertragen. Aber was solls, notfalls werde ich mir die beiden Lieder hier unten in Dauerschleife dabei anhören. Dann bleibt mir auch erspart, so Sätze zu hören wie beim ersten Mal. Mitten in der kleinen OP fragte damals der ältere Arzt seinen jungen Kollegen, während dieser den Port kraftvoll annähte: "Was machen Sie da eigentlich". Das nenne ich mal vertrauensbildende Maßnahmen.
Seit kurz vor 18 Uhr sind wir vom CT zurück. Wenn alles gut geht, möchte uns der Arzt morgen schon das Ergebnis mitteilen. Die Narbe vom Port sieht er im Moment unkritisch, solange das CT keinen anderen Befund ergibt. Er geht davon aus, dass die Narbe nur aufgrund meiner Gewichtsabnahme auf mich "prominenter" wirkt. Die Formulierung fand ich toll. Das würde auch die leichten Beschwerden erklären. Um im Sprachgebrauch meines Arztes zu bleiben, sind für mich im Moment ohnehin die Rückenschmerzen dominanter. Sitzen, liegen, stehen, gehen, alles ist eine Qual. Auch darauf wird im CT geschaut. Also muss ich jetzt irgendwie die Nacht rumbringen und auf Besserung hoffen. Das wird heute Nacht sehr schwer.
Ab sofort wird alles anders
Die Ergebnisse des CTs liegen jetzt vor. Der Port ist im wahrsten Sinne des Wortes, "Gott sei Dank" in Ordnung. Die Lungentumore und die meisten Metastasen halten weiterhin Ruhe. Leider tut mir die Metastase an der Leber nicht diesen Gefallen. Sie macht auf Außenseiter und wächst munter weiter. Daher werden laut Arzt auch meine Rückenschmerzen kommen. Um das auch in den Griff zu bekommen und die Lebermetastase zurückzupfeifen wird meine Therapie vollständig umgestellt. Ab sofort bekomme ich nicht mehr alle drei Wochen zwei Medikamente, sondern einmal in der Woche ein Neues. Nach drei Wochen wird dann eine Woche pausiert. Ein vergleichbares Medikament hatte ich bereits in der ersten Therapie bekommen. Das hatte ich super vertragen, habe dann aber bei der sechsten Gabe stark allergisch reagiert.
Schon am Donnerstag starte ich dann mit der 1. Gabe der 3. Therapie in die neue Staffel. Da bekomme ich auch für mich gut verträgliche Schmerzmittel für den Rücken verschrieben. Daraus kann ich allerdings auch ableiten, dass der Arzt davon ausgeht, dass mich die Schmerzen auf meinem weiteren Weg wahrscheinlich ein gutes Stück begleiten werden. Aber was solls, wenn Frauen Kinder kriegen können dann halte ich das auch aus, hoffe ich.
Heute gab es dann die erste Gabe der 3. Therapie. Da es für mich ein neues Medikament ist, gab es vorher ein Aufklärungsgespräch. Die bei mir zu erwartenden Nebenwirkungen reduzieren sich auf Durchfall. Tja, da werde ich wohl in Zukunft auf meine Mukositis verzichten müssen. Vielleicht können sich im Laufe der Zeit sogar die Füße und Zähne etwas erholen oder gar das Augentränen aufhören. Das Nasenbluten ist ja auch schon deutlich zurückgegangen.
Natürlich habe ich mir den neuen CT-Befund auch ausdrucken lassen. Das liest sich leider nicht so entspannt, wie das mein Arzt verbal zusammengefasst hat. An der Leber ist die Metastase gewachsen und es kamen sogar zwei neue hinzu. Auch die Lungentumore haben doch etwas zugelegt. Insgesamt also kein ganz so entspanntes Bild wie die letzten Male. Aber dafür gibt es ja jetzt das neue Medikament.
Der Ablauf heute war insgesamt super. Der Fahrdienst war überpünktlich und hat mir in der Ambulanz so die Pole Position gesichert. Mit Wartenummer 001 bin ich in den Onko-Tag gestartet. Ich konnte von der Anmeldung direkt zur Blutabnahme. Das Arztgespräch war um kurz nach halb elf und um 11 Uhr kam dann auch schon die neue Therapie. Da es diesmal nur ein Medikament war und die Durchlaufzeit auf 30 Minuten eingestellt wurde, war ich um 12 Uhr schon komplett fertig. Mein Taxi hatte ich zwischenzeitlich schon für 12.30 Uhr bestellt. Ich hatte das Glück, dass derselbe nette Fahrer kam wie bei der Hinfahrt. Wir haben uns jeweils sehr nett, offen und ehrlich miteinander unterhalten.
Zu Hause gab es nach einer ausführlichen Besprechung mit meiner lieben Frau dann erst einmal ein Nickerchen. Am frühen Abend reichte meine Kraft dann noch für einen kleinen Spaziergang durch die Abendsonne. Unterwegs haben wir einige nette Freunde und Bekannte getroffen.
Für mich war heute ein sehr gelungener Tag. Ich bin überglücklich und dankbar, dass mir die neue Therapie bisher so gut bekommt und ich heute so viele guttuende Begegnungen mit herzerfrischend lieben und aufrichtigen Menschen haben durfte. Und glaubt mir, jeder Einzelne von ihnen hat sein eigenes Kreuz zu tragen. Egal wie groß dieses Kreuz auch jeweils sein mag, in der Gemeinschaft trägt es sich einfacher.
High Noon am Tag eins nach der 1. Gabe der 3. Therapie und ich sitze hier quietsch vergnügt und putzmunter an meinem PC und schreibe an der Seite. Seit ca. halb drei heute Nacht bin ich glockenwach und ausgeschlafen. So munter habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Stand jetzt würde ich sagen, da hat mein Arzt aber ganz was Gutes für mich mischen lassen. Wenn dieses Medikament nur halb so gut gegen den Krebs wirkt wie es gegen meine Dauermüdigkeit hilft, sollte ich bis Weihnachten kerngesund sein.
Aber Spaß beiseite. Ich habe mich seit Wochen, nein Monaten, nicht mehr so wohl gefühlt. Mir sind meine Rücken- und Zahnschmerzen gerade mal so etwas von egal. Ich fühle mich trotz allem einfach richtig gut. Natürlich habe ich auch noch die anderen Nebenwirkungen. Bis auf das Nasenbluten. Das habe ich in den letzten Tagen nur noch ganz kurz mal gehabt. Aber dieses wache und muntere Gefühl ist für mich richtig berauschend. Ich hoffe, dass dies die einzige Nebenwirkung bleibt und die Wirkung nach Möglichkeit auch bis zur nächsten Gabe anhält.
Tag zwei nach der 1. Gabe der 3. Therapie verlief vollkommen unerwartet. Am Morgen war ich noch genauso fit wie gestern. Dann habe ich ein Basenbad genommen. Das hat mich derart heruntergezogen, dass ich bis zum Abend annähernd durchgeschlafen habe. Das hat meiner lieben Frau natürlich große Sorge bereitet, zumal ich auch Fieber bekommen habe. Jetzt, am frühen Morgen des 3. Tages nach der Gabe, ist alles wieder in Ordnung. Die Körpertemperatur ist wieder normal und ich fühle mich wieder einigermaßen gut. Woran das gelegen hat, kann ich nicht wirklich sagen, aber vermutlich war das Basenbad zu viel für meinen Kreislauf.
Der vierte Tag nach der Gabe ist geprägt von starker Müdigkeit und heftigen Rückenschmerzen. Von dem anfänglichen Schwung und Elan ist überhaupt nichts übrig geblieben. Ich würde mich am liebsten den ganzen Tag in meiner Betthöhle verkriechen, Schmerztabletten nehmen und schnarchen, bis die Nachbarn sich beschweren. Na gut, ich gebe zu, bis auf die Schmerztabletten mache ich das auch so. Jetzt, wo ich das Abendessen rieche, vergeht mir gerade mächtig der Appetit. Ich kann zwar immer besser wieder schmecken, aber im Moment dreht mir der Gedanke an Essen den Magen um. Schreiben mag ich jetzt schon gar nicht.
Der sechste Tag nach der 1. Gabe der neuen Therapie ist für mich Grund, ein wenig ein Fazit zu ziehen. Schließlich hole ich mir morgen ja schon die nächste Gabe ab. Das Wichtigste zuerst, in den letzten Tagen bekomme ich immer schlechter Luft. Nach den zwei Stockwerken zur Wohnung bin ich jetzt auch ohne irgendwelche Lasten wieder vollständig außer Atem und Ringe um Luft. Es dauert dann einige Minuten, bis ich mich erholt habe. Steigungen fallen mir beim Spazieren immer schwerer. Das Nasenbluten ist abgeschwächt zurückgekehrt. Das Tränen der Augen hat leider noch nicht nachgelassen. Die Beine sind unverändert dick und die Taubheitsgefühle in den beiden Füßen haben sich in keiner Weise gebessert. Lediglich mein Mundgefühl und der Geschmacksinn haben sich ein ganz klein wenig erholt.
Eigentlich erhoffe ich mir mehr von der neuen Therapie, aber es ist nach einer einzigen Gabe viel zu früh ein Urteil zu fällen. Aber das Wechselbad der Gefühle, das ich diese Woche erleben durfte, war schon sehr vielfältig. Von voll aufgeputscht bis Fieber war so ziemlich alles dabei. Ich hoffe, dass die Atembeschwerden nicht von gewachsenen Tumoren, sondern vielleicht nur von Wassereinlagerungen in der Lunge kommen. Aber wir werden sehen. Ich möchte jedenfalls morgen vor der zweiten Gabe erst einmal mit meinem Arzt in Ruhe über alles sprechen.
Tag 7 nach der 1. Gabe ist auch schon wieder der Tag der 2. Gabe der dritten Therapie. Im heutigen Arztgespräch habe ich dem Arzt die Entwicklung während der letzten Woche geschildert. Nichts davon war für ihn überraschend. Da ich seit einiger Zeit immer einen sehr hohen Ruhepuls von über 100 habe, hat er spontan ein EKG machen lassen. Es ergab keinerlei Auffälligkeiten. Auch die Verschlechterung der Atmung bereitet ihm derzeit keine Sorge. Steht wohl auch als übliche Nebenwirkung der neuen Therapie irgendwo im Kleingedruckten. Die ebenso andauernden Rückenschmerzen möchte er im Moment noch nicht zu hoch bewerten. Das kann wohl auch von der neuen Therapie begünstigt werden. Den nächsten Therapietermin habe ich dann am nächsten Donnerstag. Da werden wir das Gespräch fortführen. Wenn ich ehrlich bin, hat er mir zwischen den Zeilen das Signal gegeben, dass ich das alles etwas lockerer sehen kann. Mein Sohn würde es etwas deutlicher formulieren: Papa, du sollst nicht so ein Mimimi sein. Und er hätte recht. Also reiße ich mich jetzt zusammen und gehe mit Zuversicht in die zweite Woche der neuen Therapie. Ich werde versuchen, den Höhenflug morgen zu genießen und mir am Samstag vornehmen, den Absturz abzumildern. Also ab mit guter Laune in den Oktober.
Wenn's nicht klappt: Ersatzlink
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